Ladies and Gentlemen, der heutige Beitrag mag etwas aus der Zeit gefallen sein – selbst für mich ist das Thema Neuland.
Konkret geht es um eine heute selten anzutreffende Kopfbedeckung – den Zylinder. In den vergangenen Jahrzehnten begegneten mir Zylinder meist in unterschiedlicher Zahl in meinen jeweiligen Fahrzeugen – als Kopfbedeckung jedoch habe ich sie so gut wie nie gesehen.
Kürzlich wurde mir die besondere Ehre zuteil, ein eben solches Stück aus einem Nachlass vermacht zu bekommen – ein weiterer Grund, darüber zu schreiben.
Es begann mit einem Skandal?
Die Geschichte des Zylinders begann mit einem Skandal – jedenfalls war es Einer am 15. Januar des Jahres 1797. An diesem Tag verlässt der Londoner Hutmacher John Hetherington sein Haus mit einem von ihm gefertigten Seiden Zylinder. Der Anblick des Mannes mit einer solch ungewöhnlichen Kopfbedeckung löste in jenen Tagen einen Auflauf aus.
In einigen Berichten ist zu lesen: „…Kinder rannten schreiend davon und Frauen fielen in Ohnmacht, Hunde zerrten an ihren Leinen, um entweder anzugreifen oder zu fliehen, und ein Botenjunge brach sich den Arm, als er vom Mob zertrampelt wurde.“ Mr. Hetherington wird sogleich von der Straße weg verhaftet und später wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu einer Geldstrafe von 50 Pfund – damals ein stattlicher Betrag – verurteilt.
Oder auch nicht? Für diese oft zitierten Berichte gibt es keine stichhaltigen Belege, und es könnte sein, dass die Geschichte so groß ist wie der Hut! Die früheste bekannte Erwähnung stammt aus dem Jahr 1899 und wurde in der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Notes and Queries“ veröffentlicht, die wiederum einen früheren Artikel aus der Hatters’ Gazette zitierte, die offenbar tatsächlich aus einer älteren, namenlosen “Zeitschrift” zitierte. Erfunden oder nicht – der Zylinder hatte es am Anfang schwer und wurde ganz und gar nicht akzeptiert. Weil die vorgenannte Geschichte sich so gut erzählen lässt – hier vielleicht einige Erläuterungen: die Gründe für die Aufregung (wenn es Sie denn gab) mögen vielschichtig sein: es ist davon auszugehen, daß „die Ordnungshüter“ – und auch später „das Gericht“ – die Werbeaktion des Hutmachers eher als eine rebellische Tat oder die Zugehörigkeit zu subversiven Kreisen ansahen. Ein hoher Hut erschien als ein revolutionäres Symbol, trugen doch die Jakobiner zur Zeit der französischen Revolution – genauso wie die Freimaurer – hohe Hüte. Des Weiteren waren hohe Hüte in jener Zeit der herrschenden Klasse und insbesondere dem Klerus vorbehalten, somit waren sie für alle Arten von Widerstand bestens geeignet. Die deutschen Revolutionäre des Jahres 1848 machten aus dem Zylinder einem grauen, braunen oder schwarzen Filzhut mit breiter Krempe – er wurde Carbonari- oder Demokratenhut, aber auch Heckerhut oder Kalabreser genannt. Diese Hüte wurden zu dieser Zeit mit Federn und Korkaden in schwarz-rot-gold geschmückt.
Es dauerte Jahrzehnte, bis das Bürgertum den Zylinder annahm und schließlich avanciert der Zylinder in der zweiten Hälfte 19. Jahrhundert mit dem Aufstieg des Bürgertums zur Kopfbedeckung des Establishments und wurde somit zur „Kopfbedeckung der Reaktion“. Möglicherweise ist das der Grund warum Sie vielleicht gerade jetzt an eine sehr reiche Ente denken.
(Leo von Elliot (Lithograf), Eduard Gustav May (Verleger), “Hüte / vor dem 18. September. 1848. nach dem 18. September.” (Karikatur zur Revolution 1848), 1848, Wien Museum Inv.-Nr. 21153/6, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/13658/)
Die Geschichte des Zylinders ist hier jedoch keinesfalls zu Ende
Im Jahre 1823 erfand Antoine Gibus , Hutmacher am Place des Victoires in Paris, den Chapeau Claque (französisch für „Klapphut“) einen mittels einer Feder zusammenklappbaren, mit Seide überzogenen Zylinder, der im Jahre 1837 patentiert wurde. Dieser besondere Zylinder, welcher schlagartig beliebt wurde (war er doch sehr praktisch und platzsparend) wurde bis zum Ersten Weltkrieg bei Bällen zum Frack und im Theater unter dem Arm getragen. Nach seinem Erfinder wird der Chapeau Claque auch „Gibus“ genannt.
Der Zylinder in der Gegenwart:
Zylinder – häufig in der Ausführung „Chapeau Claque“ sind heute oft noch auf der Bühne in Musikrevuen oder bei Zauberveranstaltungen zu sehen. Ebenfalls werden Zylinder heutzutage zeitweise noch bei Hochzeiten, auf Beerdigungen, bei Drehorgelspielern, Veranstaltungen von Schornsteinfegerinnungen und weiteren als besonders feierlich eingestuften Anlässen getragen, insbesondere beim „Morning Dress (->)“ sind Zylinder – vornehmlich in Grau – oft zu sehen.
Nach wie vor gehört – bei einigen Logen – der „hohe Hut“ zum Bestandteil der freimaurerischen Kleidung. Dieser ist hier jedoch ist kein elitäres, sondern vielmehr ein egalitäres Symbol. In der europäischen Gesellschaft war das Tragen derartiger Hüte für viele Jahrhunderte ein ständisches Privileg – nur der Herr durfte einen Hut tragen, während Knappen, Knechte und Diener sich beispielsweise mit einer Kappe begnügen mussten.
In den Logen war jedoch jedem Bruder – ungeachtet seines Standes – das Tragen eines solchen Hutes gestattet.
Sie haben Mut zum Hut bekommen?
Die Hersteller dieser besonderen Kopfbedeckung sind ebenfalls rar – am ehesten werden sie in London fündig – Lock & Co. www.lockhatters.com kann ihnen sicherlich helfen.
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